Hein Bollow starb im Alter von 99 Jahren in Köln – Tiefe Trauer um eine Ikone des Galopprennsports

Tiefe Trauer um eine Ikone des Galopprennsports

Hein Bollow starb im Alter von 99 Jahren in Köln

Auf Galopprennbahnen sind die Bereiche, wer wohin kann, ziemlich penibel geregelt. Führring, Waage, Stallbereich et cetera. Eine besonders sensible Zone sind die Räumlichkeiten der Rennleitung. Zutritt haben hier nur die am Renntag tätigen Stewards, sonst keiner. Die anderen Leute, die hierhin kommen, werden in der Regel mehr oder weniger vor die „Schranken“ der gestrengen Damen oder Herren zitiert. Allerdings gab es über die letzten Jahre hinweg in Köln  eine große Ausnahme, sie trug den Namen: Hein Bollow. Er hatte an Renntagen seinen festen Platz am Tisch der Rennleitung, was schon einiges über seinen herausragenden Status in diesem Mikrokosmos „Turf“ aussagt. Wenn irgendwann nach der Coronakrise wieder eine gewisse Normalität eingekehrt sein wird, wird dieser Stuhl allerdings verwaist  bleiben, denn Hein Bollow wurde am 20. April von dieser Erde abberufen. Im Alter von 99 Jahren starb er im Longericher Heilig Geist-Krankenhaus an den Folgen eines Schlaganfalls, der ihn nur wenige Tage zuvor ereilt hatte.

Hein Bollow war eine Legende, eine wirkliche Ikone des Galopprennsports. Vergleichbar mit einem Max Schmeling bei den Boxern oder einem Uwe Seeler im Fußball. Mit Letzterem teilte er übrigens eine Gemeinsamkeit, nämlich das Licht der Welt in der Hansestadt Hamburg erblickt zu haben. Bei Hein Bollow war es am 5. Dezember 1920. Und natürlich hatte die große Galopp-Familie gehofft, ihn auch noch anlässlich der Vollendung des 100. Lebensjahres gratulieren und hochleben lassen zu können. Nun ist es also anders gekommen – und eine große Lücke entstanden, war doch Hein Bollow ungeachtet seines hohen Alters immer noch der Markenbotschafter des Sports der schnellen Vollblüter schlechthin. Erst vor weniger Tagen hatte der Sender stern TV nahezu liebevoll von all den Grußbotschaften, die der Verstorbene von Menschen aus nah und fern erhalten hatte, berichtet.

Aufgrund der Coronakrise musste er die letzten Tage seines Lebens nämlich in einer kompletten Isolation fristen. Auch der morgendliche Besuch, der ihn Tag für Tag von seiner Altersresidenz zum Stall Asterblüte von Trainer Peter Schiergen geführt hatte, fiel aus. Gerade die Familien Schiergen und Minarik waren es auch, die in den letzten Jahren besonders feste Bezugspunkte für ihn gebildet hatten.

Blickt man auf dieses lange Leben zurück, so sind es drei Orte, die feste Ankerplätze von Hein Bollow waren, und zwar Hamburg, die Geburts- und Derby-Stadt, Hoppegarten, wo er sich seine ersten reiterlichen Meriten verdiente, sowie ab dem Jahr 1947 Köln, die Domstadt. In Hoppegarten hatte er auch seine von ihm so geliebte und verehrte Frau Margot kennengelernt, eine Tochter des bekannten Trainers Hans Thalheim, deren Tod ihn 1999 sehr mitgenommen und geschmerzt hatte.

Apropos reiterliche Meriten:  Auf insgesamt 1.034 Erfolge und nicht weniger als 13 Championate hatte es Hein Bollow gebracht, hinzukamen 1.661 Siege als Trainer. Lange Zeit blieb er der einzige Aktive, der weltweit jeweils einen vierstelligen Rekord in beiden Sparten vorzuweisen hatte. Bis dann Peter Schiergen in der Saison 2009 gleichzog und ebenfalls zum „doppelten Tausender“ avancierte.  Hein Bollow hat gewonnen, was es zu gewinnen gab. Als Jockey beispielsweise allein viermal das Derby: mit Allasch (1953), Kaliber (1954), Kilometer (1962) und Herero (1962). Und was den Weidenpescher Park in Köln angeht, so gelang es ihm, mit dem Hengst Opponent in der Saison 1963 den ersten Preis von Europa zu gewinnen.

All die vierbeinigen Hochkaräter aufzuzählen, die er als Trainer in seiner Obhut hatte, wäre viel, viel mehr als nur ein abendfüllendes Programm. Stellvertretend seien hier der großartige Nebos, der ewige Gegenspieler des nicht minder großartigen Königsstuhls, der Derby-Sieger Marduk oder auch Kondor, Cagliostro und die Klassesteeplerin Toronja genannt.

Was Hein Bollow – seit 1975 Träger des Bundesverdienstkreuz Erster Klasse – tatsächlich und eigentlich ausmachte, war allerdings keineswegs allein sein sportliches Lebenswerk. Vielmehr galt er auch als ein Mann, der Verantwortung nie gescheut hatte. Weder als langjähriger Vorsitzender des Trainer- und Jockey-Verbandes, als Beisitzer im Rahmen der Renngerichtsbarkeit, als vorbildlicher Lehrherr und Arbeitgeber. Der hin und wieder auch mal ganz schön laut werden konnte, der aber zudem schnell wieder herunterkam und den summa summarum eine große Warmherzigkeit auszeichnete. 

Vor allem jedoch schwang er sich schon früh zu einem wahren Sympathieträger auf, der in seinen Blütejahren eine Popularität besaß wie kaum ein anderer Aktiver aus dem Lager des Galopprennsports und Vollblutzucht. Der Name Bollow stand für die Fakultät der schnellen Vollblüter wie der Stern für die Automarke Mercedes.

Etliche Fernsehauftritte, natürlich noch in schwarz-weiß, zeugen in den Tiefen der Archive der großen Fernsehanstalten noch heute davon. Hein Bollow eloquent und humorvoll im Smalltalk mit den namhaften Größen jener Zeit, die längst als TV-Legenden in die Annalen eingegangen sind. Genauso wie es Hein Bollow jetzt in seinem Sport tut. Wobei er allerdings bereits zu Lebzeiten zur einer Legende aufgestiegen war. Eine Legende, um die ganz Turf-Deutschland jetzt trauert und die schmerzlich vermisst werden wird.

 

 

Überwältigendes Echo auf Brief-Aktion für Hein Bollow

Am 21. März hatte der Kölner Renn-Verein in einem Social Media-Post aufgerufen, dem seit Jahrzehnten in Köln-Weidenpesch lebenden ehemaligen Spitzenjockey und -trainer Hein Bollow, Briefe oder Bilder ins Seniorenheim zu schicken, da er dieses aktuell nicht verlassen darf. Wie viele ältere Menschen ist der 99-jährige derzeit isoliert und kann nicht wie sonst beinahe täglich für die Trainingsarbeit in Peter Schiergens Asterblüte-Stall auf unsere Anlage kommen.  Die Resonanz auf den Aufruf war schlichtweg überwältigend. Nur wenige Tage nach Beginn der Aktion war der Briefkasten Hein Bollows voll und die Galoppsport-Legende kam mit dem Lesen kaum noch hinterher. Die hohe Anzahl an Reaktionen, Anfragen und Rückmeldungen sagen mehr über den Umgang mit der derzeitigen Situation aus als jedes Wort, das hierüber geschrieben wird. Dafür im Namen des gesamten Kölner Renn-Verein vielen herzlichen Dank! Hieraus entstand übrigens die Aktion Stift & Papier, die Brieffreundschaften zu Bewohnern von Pflegeeinrichtungen vermittelt und damit die Generationen gegen Vereinsamung verbinden soll. Nähere Infos zur Teilnahme gibt es hier Stift & Papier.

Der Galopper des Jahres kommt aus Köln-Weidenpesch

Der Galopper des Jahres 2019 Rubaiyat, hier mit Jockey Clement Lecoeuvre siegreich beim Preis des Winterfavoriten am 6. Oktober im Weidenpescher Park (Foto: Marc Rühl)

Obwohl der Galoppsport derzeit fast auf der gesamten Welt ruht, können wir schließlich auch positive sportliche Schlagzeilen vermelden. Denn die vom Dachverband Deutscher Galopp zusammen mit der Sport-Welt und Wettstar jährlich abgehaltene Abstimmung ergab: Der Galopper des Jahres 2019 kommt aus Köln-Weidenpesch. Der von Trainer Henk Grewe im Weidenpescher Park trainierte 3-jährige Hengst setzte sich bei Deutschlands ältester Publikumswahl mit 42 Prozent der Stimmen gegen den amtierenden deutschen Derbysieger Laccario (38%) und dem mittlerweile in Frankreich trainierten Alson (20%) durch. Der vom Gestüt Karlshof gezüchtete und im Besitz von Darius Racing stehende Rubaiyat ging 2019 in allen seinen vier Rennen als Sieger hervor. Unter anderem gewann er zum Jahresabschluss am 6. Oktober den Preis des Winterfavoriten (Gruppe III) bei uns in Köln-Weidenpesch und wird als interessanter Derby-Kandidat gehandelt. Für den Kölner Trainer Henk Grewe war die Auszeichnung zweifelsohne ein besonderer Moment: „Wir freuen uns sehr! Das ist unser erster Galopper des Jahres, also etwas ganz Besonderes. Den vergisst man nicht“, ließ der amtierende Trainer-Champion verlauten. Der Kölner Renn-Verein gratuliert herzlich dem Team von Rubaiyat.